Die "Fabrik" 1971
Die FABRIK nach der Übernahme 1970
Die FABRIK (innen) nach der Übernahme 1970
Die FABRIK nach dem Ausräumen 1970
Malecke in der alten FABRIK
Linoldruck in der Malecke
In der alten FABRIK
Hüttenbau in der FABRIK-Malecke, 70er Jahre
Tägliche kreative Arbeit mit Kindern in der FABRIK Malecke
Die FABRIK nach dem Brand 1977
Wiederaufbau der FABRIK
Zirkus in der FABRIK 70er Jahre
Mikis Theodorakis in der FABRIK
Helga Feddersen, Heinz Schubert und Co. bei den Proben in der FABRIK
Jean Genets "Die Zofen" in der FABRIK
Jean Genets "Die Zofen" in der FABRIK
Der damals noch junger Regisseur Luc Bondi bei den Proben zu Jean Genets Theaterstück "Die Zofen"
Theater in der Fabrik
Joep Neefjes realisierte in der FABRIK eine 200qm große Fotografie
In der "alten" Fabrik
Jazzkonzert in der FABRIK, ca, 2000
Mitmachzirkus in der FABRIK
Konzert in der Fabrik
Besucher vor der "neuen" Fabrik
SPD-Wahlveranstaltung mit Willy Brandt in der FABRIK
Kunstmesse 1991
Kunstmesse 1991
Kunstmesse 1991
In der FABRIK Malecke, ca. 2001
Fabrik Besucher, 80er Jahre
Die zentrale Halle der FABRIK in der ca. 1.200 Zuschauer Platz finden.
Kostenlose, kreative Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der FABRIK-Malecke gehört seit der 70er Jahre zum täglichen Programm
In der Fabrik Malecke
Fabrik Malecke
Töüfern in der Fabrik-Malecke
Kinder in der Fabrik
Töpfern in der Fabrik Malecke
Markt in der FABRIK
Konzert für Kinder
Alle KünstlerbilderⒸFABRIK-Pressearchiv
Alle KünstlerbilderⒸFABRIK-Pressearchiv
Alle KünstlerbilderⒸFABRIK-Pressearchiv
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Alle Künstlerbilder Ⓒ FABRIK Pressearchiv
Konzert in der Fabrik
Konzert in der Fabrik
Camille in der Fabrik


Fabrik

Frühschoppen in der „alten“ Fabrik

„Kultur für alle“ – was zunächst als kühne Idee in Köpfen von einigen wenigen Aktivisten  geboren wurde, erhielt Anfang der 1970er Jahre in Hamburg konkrete Form. Die Ideen des Malers Horst Dietrich und des Architekten Friedhelm Zeuner galten in der damaligen Zeit als Spinnerei, Utopie und kaum realisierbar.

Ein Haus zu schaffen, in dem alle Sparten der Kultur zelebriert, wo kulturelle Experimente eine Plattform finden und das Ganze zu äußerst humanen Eintrittspreisen angeboten wird? Nicht nur damals klang das alles sehr unrealistisch.
Doch nachdem Dietrich und Zeuner eine alte Fabrik im damaligen Arbeiterviertel Altona gefunden hatten und die Pachtverträge unterschrieben waren, gab es nur noch den Weg nach vorne. Schnell fand sich ein Kreis weiterer „verrückter“ Enthusiasten, die den Traum eines alternativen Kulturbetriebs so spannend fanden, dass sie ihre Ideen, ihre Arbeitskraft und eine Portion Fatalismus in das große Experiment FABRIK einbrachten. Wie berauscht entrümpelten wir das alte Fabrikgebäude richteten es zu einer auch architektonisch aufregenden Stätte her.

Unzählige alte Maschinen und unendlich viel Müll musste aus der Halle weggeschafft werden. Beleuchtung, Tonanlage, Gastronomie, Toiletten und auch verschiedene Shops mit Platten und angesagten Klamotten wurden überwiegend in Eigenarbeit eingebaut. Die Behörden waren von der bis dahin unbekannten Art einer Kulturstätte so überrascht, dass sie uns relativ geschmeidig alle notwendigen Genehmigungen erteilten, bis es am 25. Juni 1971 endlich so weit war und die FABRIK ihre Tore öffnen konnte.
Die FABRIK schlug in der Hamburger Kulturlandschaft ein wie eine Bombe. Ein spektakuläres Gebäude mit einem vielfältigen Angebot an U- und E-Musik, Theater, Performance, Kino, kreativen Werkstätten und einer Atmosphäre, die es mit den angesagten Clubs in New York oder London locker aufnehmen konnte.

Zu der Zeit haben wir in der FABRIK praktisch gelebt. Mit einem Team von 10-15 Leuten ein Haus für 1200 Besucher und 7-Tage-Betrieb zu managen erforderte immense Anstrengungen. Viele von uns beendeten ihre damalige Beschäftigung, um alle Kräfte der „Mutter aller derartigen Kulturzentren“ – wie die Presse die FABRIK später titulierte – zu widmen.

Wenn die Besucher nach oft unvergesslichen Konzerten tief in der Nacht die FABRIK verließen, haben wir entweder mit den Musikern oder alleine weiter Musik gemacht, die Bereiche abgerechnet und uns dann für einige Stunden in das heimische Bett zurückgezogen. Denn morgens gegen 8-9 Uhr standen wir bereits wieder in der Halle, um die Spuren des Abends und der Nacht zu beseitigen.

Konzert in der Fabrik

Man kann sich natürlich fragen, was der Wahnsinn sollte, doch wir wussten genau, dass es anders nicht geht. Trotz des Besucherandrangs und der großen medialen Beachtung ist ein Betrieb dieser Größe ohne irgendwelche Subventionen und/oder Selbstausbeutung nicht zu halten. Ergo konnten sich nur diejenigen die Arbeit in der FABRIK „leisten“, die Reserven hatten, um die ersten Jahre auch ohne finanzielle Entlohnung zu arbeiten.
Einige Jahre später konnte man zumindest behaupten, die FABRIK sei „zwar arm, aber sehr sexy!“. Am Montag Nirvana, am Dienstag die Staatsoper, am Mittwoch Rock, am Donnerstag Kino, am Freitag Punk, am Samstag Mikis Theodorakis, am Sonntag Jazzfrühschoppen und abends Donovan – so abwechslungsreich war das Programm damals und mit leichten Modifikationen ist es das auch heute noch. Die wichtigsten Gruppen und Ensemble aus der internationalen Musikwelt gastierten bei uns, wichtige Regisseure (u. a. der berühmte Luc Bondi) inszenierten für die einmalige Kulisse der FABRIK ihre Stücke und unser Anspruch, die Kultur unter die Menschen zu bringen, klappte auch ganz gut.

In der Fabrik Malecke

Neben dem abendlichen Angebot an Konzerten und Aufführungen boten wir verschiedene Werkstätten (für Siebdruck, Radierung, Fotografie, Töpfern, Film, Video etc.)  an, organisierten Fotografie- und Kunstausstellungen (siehe dazu auch FABRIK-Fotoforum) und boten neben einem Kindergarten auch die tägliche kreative Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus dem Stadtteil an.
Ganze Gruppen von Politikern kamen, sahen und notierten sich die Grundstruktur des Hauses, um ähnliche Institutionen an vielen Orten Deutschlands, aber auch im Ausland zu initiieren. Fernseh- und Rundfunk-Übertragungen aus der FABRIK verbreiteten den Ruhm dieses einmaligen Hauses zusätzlich.

Dann kamen die Brandstifter und der Traum von der alternativen Kulturstätte schien zu Ende zu sein. Die aus Holz bestehende innere Konstruktion des Hauses war nach dem Brand zerstört, die restliche Statik bedroht und wir ziemlich ratlos, was zu tun ist. Zu der Zeit war die FABRIK jedoch schon so berühmt und auch in das offizielle Kulturleben Hamburgs integriert, dass wir berechtigte Hoffnungen auf Hilfe und Wiederaufbau hegten.  Als die Entscheidung fiel, den „Phönix aus der Asche“ entstehen zu lassen, hatten wir trotz der guten Nachricht immer noch große Sorgen, was wir in der Zwischenzeit machen könnten. Die Zusage war zwar da, das Geld für den Wiederaufbau musste jedoch noch gefunden werden. Was uns damals half, war die Anerkennung der FABRIK als Modell, das Renommee und der Wille der damaligen Kulturbehörde, so ein Haus auf jeden Fall zu erhalten. Und natürlich die vielen Hamburger, für die die FABRIK bereits unverzichtbar war und die sich bei der Unterstützung des Wiederaufbaus aktiv engagierten.  Dennoch: die Wiederaufbaujahre waren in der Praxis nicht lustig.

Besucher vor der „neuen“ Fabrik

Reset – alles zurück, nochmals anfangen. Also die verbrannten Trümmer mehr oder weniger in Selbsthilfe beseitigen, die brauchbaren Wände stützen und nebenbei dafür sorgen, dass der Betrieb irgendwie weiter geht. Aber wo? Den Wahnsinn gewohnt, bauten wir auf einem Freigelände neben der FABRIK ein riesiges Zirkuszelt auf und verlegten die bereits gebuchten Gruppen sowie das weitere Programm in die Manege. Spätestens jetzt hielten uns viele Menschen für endgültig verrückt. Sie hielten uns als Besucher jedoch die Treue und kamen zu den Konzerten auch in das FABRIK-Zelt.
Viele Monate später war es dann trotz aller Probleme und Verzögerungen wieder soweit: Die neue, optisch aber ziemlich die alte, FABRIK konnte wieder öffnen. Im Gegensatz zu unserem Start hatten die Behörden diesmal sehr genau geschaut, dass alle notwendigen Vorschriften beim Bau beachtet wurden, was zu manchen Verzögerungen führte.

2017, also 46 Jahre später, steht die FABRIK immer noch. Wer hätte das damals gedacht! Sie ist in Europa zwar nicht mehr einmalig, inzwischen sind viele ähnliche Häuser entstanden und wieder geschlossen wurden, aber wir machen weiter. Sicher ist vieles professioneller, die Abläufe sind effizienter geworden, viele Mitarbeiter kamen und gingen. Ein Teil der rebellisch/anarchischen Atmosphäre haben wir jedoch retten können. Für die FABRIK und die Idee dahinter war nie eine Schublade genug. Aktuell bleiben, ohne sich dem kurzlebigen Zeitgeist zu beugen und sich nie einseitig vor den Karren irgendwelcher Interessen oder Parteien spannen zu lassen, war und ist der Leitfaden des Hauses.

Konzert in der Fabrik

Bis heute ist  die FABRIK ein Erlebnis und eine Bühne, auf der sowohl für die vielen bekannten Musiker als auch für das Publikum magische Momente entstehen, die im Gedächtnis bleiben. Wie damals, als Mikis Theodorakis  mit seinen Liedern und Kompositionen die ganze FABRIK zum Mitsingen brachte. Als Miles Davis mit seiner Trompete durch die Besucher wie eine Erscheinung schritt und mit „Time After Time“ den sakralen Raum mit überirdischen Tönen füllte. Oder Chet Baker, der hier eines seiner letzten Konzerte gab: introvertiert, zart und zerbrechlich nur eine Armlänge von seinem Publikum entfernt. Denn im Gegensatz zu den üblichen, oft etwas sterilen Hallen, wo zwischen den Künstlern und dem Publikum räumlich eine große Distanz besteht, bilden die Akteure und das Publikum in der FABRIK eine temporäre, intime Einheit. Deshalb kommen Musiker aus aller Welt und auch das Publikum so gerne und immer wieder ins Haus.

Camille in der Fabrik

Für mich persönlich sind die Jahre wie im Flug vergangen. 46 Jahre Kreativität, unzählige Begegnungen mit Musikern, unvergessliche Momente und das Gefühl, ein sehr intensives, an- und aufregendes Leben führen zu dürfen. Als einer der letzten der „ersten Stunde“ bemühe ich mich, den Geist des Hauses zu bewahren und zusammen mit neuen, jungen „FABRIK-Arbeitern“ zu erhalten und in die Zukunft zu retten.
Alles in allem waren die letzten 45 Jahre anstrengend, sorgenvoll, intensiv, aber auch unglaublich spannend. In jeder Beziehung lehrreich und erstaunlich kontinuierlich, was für so ein Haus schon als Wunder gilt.

Denis Brudna