Prager Notizen

Was fängt man fotografisch mit einer Stadt an, die in Hunderten von Jahren und durch Kriege kaum beschädigt, eine schmucke Puppenstube wurde? Myriaden Touristen pilgern nach Prag, um die „menschliche, urbane Dimension“, den Zauber der alten Gassen und die einmalige Atmosphäre zu erleben und natürlich auch zu fotografieren. Wie oft einige Ecken bereits abgelichtet wurden kann man sich kaum ausmalen. Auch zahlreiche Fotografen haben sich an Prag abgearbeitet und zum Teil Bildikonen hinterlassen. Die Mehrheit sind jedoch klischeehafte Bilder, die man eigentlich als Postkarte kaufen kann. Sie werden trotzdem gemacht. Wie kann man also eine solche Stadt einigermaßen adäquat fotografieren, ohne die unbestreitbare Schönheit zu verleugnen oder übermäßig zu abstrahieren? Zunächst sollte man sich möglichst nicht auf den Trampelpfaden der Touristen aufhalten. Prag ist so vielschichtig, dass sich in jedem Viertel interessante Motive finden lassen. Dazu gehört allerdings auch eine intime Kenntnis der Stadt.

Seit den 70er Jahren fotografiere ich Prag. Auch die Jahreszeiten spielen eine gewisse Rolle, obgleich die Stadt zu jeder Zeit Charme und Fotogenität entfalten kann. Da mich nichts treibt, sind die „Prager Notizen“ ein Langzeitprojekt geworden. Bewusst stehen aktuelle und historische Bilder nebeneinander, weil, je nachdem in welchem Teil Prags man sich befindet, vergleichbare Motive zu finden sind. Ähnlich wie in Wien vermischt sich das Historische mit dem Modernen und eine bestimmte Lebensart, Stimmung konnte durch alle Zeiten hindurch bewahrt werden. Bei diesem Fotoprojekt geht es also mehr um Stimmungen als um ein touristisch geprägtes Stadtportrait.

Denis Brudna